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Essen und Recht

Was darf man von einer ausreichenden „Kenntlichmachung“ bei Lebensmitteln erwarten, deren Gebrauchstauglichkeit gemindert ist?

Eine unmissverständliche lebensmittelrechtliche Kenntlichmachung ist immer dann erforderlich, sofern die Bezeichnung oder die Produktangaben von Lebensmitteln oder dessen Aufmachung geeignet sind, den konsumierenden Verbraucher über das Produkt irre zu führen.

Dies kann beispielsweise daraus herrühren, dass das Produkt in einem anderen Rechtskreis oder Mitgliedsstaat der Europäischen Union sprachlich eine andere Bedeutung erfährt oder die Bezeichnung in einem anderen Mitgliedsstaat missverständlich ist. Ursache kann jedoch auch schlichtweg das Lebensmittel selber sein, welches durch besonderes Aussehen eine gewisse Eigenschaft vortäuscht. Beispielsweise täuschen tiefgelbe Nudeln einen besonders hohen Eigelbanteil an, etc.. In diesen Fällen bedarf es einer Kenntlichmachung im Sinne von § 11 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB).

Eine Kenntlichmachung muss insofern dazu führen, dass die Möglichkeit der Täuschung, die aus der Bezeichnung, den Angaben oder der Aufmachung des Lebensmittels resultiert, vollumfänglich ausgeschlossen ist. Hierzu gab es in der Vergangenheit skurrile Einzelfälle.

Eine Kenntlichmachung liegt beispielsweise nicht vor, wenn der Zusatz von Geflügelseparatorenfleisch im Zutatenverzeichnis nur mit der Angabe „Geflügelfleisch“ angegeben wird (VG Düsseldorf, LMRR 1995, 59) oder bei der Aufbringung des Zusatzes „aufgefrischt“ auf Trockenpflaumen, die lediglich gebrüht und durch Waschen von unansehnlichen Teilen befreit wurden. Ebenfalls nicht anerkannt wurde die Kenntlichmachung bei: „Nüsse vorjähriger Ernte – bitte probieren Sie selbst“, sofern Nüsse zu etwa 20 % bis 30 % verfault oder völlig verwurmt waren (OLG Hamburg, LRE 1, 211).

Ebenfalls nicht ausreichend war die Bezeichnung „Zungenwurst mit Einlage“, sofern neben Zunge auch Herzmuskelfleisch verwendet wird (OLG Oldenburg, LRE 3, 211). Gleiches gilt für Hackbällchen, die rein optisch einer Frikadelle gleichkommen und als „Bratlinge“ mit dem Zusatz „Spezialität“ angepriesen werden, jedoch einen Stärkeanteil in der Trockenmasse von 33,4 % aufweisen, wobei üblicherweise ein Stärkeanteil von allenfalls 25 % als zulässig anerkannt ist (OLG Hamm, LRE 10, 50).

Eine Kenntlichmachung wird von der Rechtsprechung in der Regel auch nicht allein in dem Ausweis eines niedrigen Preises gesehen. So konnte einer säuerlich riechenden, sauer schmeckenden und mit Laktobazillen sowie Pseudomonaden befallenen Zungenwurst allein durch einen äußerst günstigen Preis nicht entnommen werden, dass diese gesundheitlich bedenklich ist, was insbesondere dann gilt, sofern andere Qualitätsmerkmale des Produktes wie beispielsweise dessen Beschreibung – trotz der Kenntlichmachung – aufrecht erhalten werden.

Insofern ist nach § 11 Abs. 2 LFGB aus gutem Grund „verboten“, nachgemachte Lebensmittel, Lebensmittel die hinsichtlich ihrer Beschaffenheit von der Verkehrsauffassung abweichen und dadurch in ihrer Brauchbarkeit nicht unerheblich gemindert sind, sowie Lebensmittel, die geeignet sind, den Anschein einer besseren als der tatsächlichen Beschaffenheit zu erwecken, ohne ausreichende Kenntlichmachung in den Verkehr zu bringen.

Darum gilt auch beim Einkauf von Lebensmitteln Schillers Weisheit: „Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich nicht was Besseres findet.“

Rechtsanwalt Tobias Vels