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Essen und Recht

„Flüssigwürzung“ – und andere Formen der Irreführung

Das Verwaltungsgericht Oldenburg bestätigte mit Urteil vom 05.12.2017 – 7 A 4064/16 einen Bescheid, mit welchem die Lebensmittelbehörde der Klägerin untersagte, die Produkte „Schweineschnitzel paniert“ und „Putenschnitzel paniert“ ohne die Kennzeichnung „flüssig gewürzt“ in den Verkehr zu bringen.

Richtigerweise wurde diese Entscheidung durch Beschluss vom 12.12.2018 des OVG Lüneburg, AZ: 13 LA 21/18 aufrechterhalten in Form der Ablehnung der Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg.

 

Die Klägerin, die ein Unternehmen zur industriellen Fleischerzeugung betreibt, injizierte in verzehrfertige Schweine- und Putenschnitzel eine sogenannte Flüssigwürzung in Form einer Gewürzlake, die bezogen auf den Frischfleischanteil 8 % des Gesamtgewichts ausmachte. Die Lake besteht zu 90 % aus Trinkwasser und zu 4,6 % aus Salz und 5,4 % aus einer Gewürzmischung. Nach erfolgter Injektion wird das Fleisch mechanisch gewälzt (getumbelt) und im Anschluss gegart. Durch diesen Garprozess wird der Wasseranteil wiederum auf 5 % reduziert. Auf der Verpackung selber ist auf der Vorderseite  der Aufdruck „paniert und gegart“ aufgebracht; nur auf der Rückseite befindet sich im Zutatenverzeichnis der Hinweis, dass neben „Schweinefleisch (74 %)“ u. a. auch die Angaben „Trinkwasser“ und „natürliche Gewürzextrakte“ aufgeführt sind. Ein besonderer Hinweis auf die Form der Behandlung in Form der Injizierung bzw. „Flüssigwürzung“ enthält die Verpackung nicht.

 

Das Verwaltungsgericht hat die Entscheidung auf die allgemeine Bestimmung in Art. 17 Abs. 5 i. V. m. Anhang VI Teil A Nr. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments – LMIV – gestützt und dabei festgestellt, dass die Regelung nicht durch die besonderen Bestimmungen in Anhang VI Teil A Nr. 6 LMIV verdrängt werden.

 

Der Anhang VI Teil A Nr. 6 Satz 1 LMIV regelt, dass bei Fleischerzeugnissen, die als Aufschnitt, am Stück, in Scheiben geschnitten, als Fleischportion oder Tierkörper angeboten werden, die Bezeichnung des Lebensmittels die Angabe enthalten muss, dass Wasser zugesetzt wurde, wenn das zugesetzte Wasser mehr als 5 % des Gewichtes des Enderzeugnisses ausmacht. Durch diese Bestimmung sollen Verbraucher vor irreführenden und unlauteren Geschäftspraktiken bei Fleischerzeugnissen geschützt werden, bei denen dem Verbraucher suggeriert wird, dass ein Wasserzusatz nicht erfolgte und auch nicht notwendig ist. Ziel der Regelung ist es, dass der Verbraucher bei einer entsprechenden Kennzeichnung des Zusatzes von Wasser auf einen Blick erkennen kann, dass das Produkt entsprechend behandelt wurde.

 

Der Umstand, dass vorliegend die 5 %-Grenze nach dem Garprozess nicht überschritten wird, ändert nichts an der grundsätzlichen Möglichkeit, dass der Käufer gleichwohl durch das Produkt irregeführt wird. Danach beschränkt sich der Anwendungsbereich der Bestimmung in Anhang VI Teil A Nr. 6 Satz 1 LMIV auf die Fälle, in denen das dem Fleischerzeugnis zugesetzte Wasser mehr als 5 % des Gewichtes des Erzeugnisses ausmacht. Unabhängig von dem Gewichtsanteil kann jedoch nach Anhang VI Teil A Nr. 1 LMIV eine Kennzeichnungspflicht bestehen, wenn die Unterlassung der Angabe zum physikalischen Zustand des Lebensmittels geeignet ist, den Käufer irrezuführen. Genau dies hat das Verwaltungsgericht Oldenburg bejaht und damit die lebensmittelrechtlich zulässige „Flüssigwürzung“ zwar nicht untersagt, jedoch von der Kennzeichnungspflicht abhängig gemacht.

 

Nur der über die Flüssigwürzung informierte Verbraucher soll in den Genuss des „aufgepumpten“ Fleischproduktes gelangen dürfen. Insofern ist die Entscheidung sehr zu begrüßen.

 

Rechtsanwalt Tobias Vels