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Essen und Recht

Ritter Sport darf weiter mit der Deklaration „natürliches Aroma“ bei Voll-Nuss-Schokolade werben

Die Stiftung Warentest hatte im November 2013 auf ihrer Homepage und in ihrem Heft 12/2013 das Ergebnis einer Untersuchung verschiedener Nuss-Schokoladen veröffentlicht. Dabei erteilte sie der Sorte „Voll-Nuss“ der Firma Ritter Sport die Note „mangelhaft“ und begründete dies damit, dass das Zutatenverzeichnis auf der Schokoladenverpackung irreführend sei. Die genannte Schokolade halte das Versprechen, dass nur natürliche Aromen verwendet werden nicht, da angeblich auch der chemisch hergestellte Aromastoff Piperonal nachgewiesen worden sei.

Hiergegen setzte sich Ritter Sport zur Wehr und behauptete, dass der ihrer Schokolade zugesetzte Aromastoff Piperonal aus rein pflanzlichen Ausgangsstoffen durch zugelassene Verfahren nach der Europäischen Aromenverordnung (VO (EG) Nr. 1334/2008) gewonnen werde. Die Stiftung Warentest könne sich nach Ansicht von Ritter Sport auch nicht in Bezug auf die streitgegenständliche Berichterstattung auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen, nachdem sie nicht nachweisen könne, dass sie die erforderliche journalistische Sorgfalt angewendet habe.

Das Landgericht München I stellt in seiner Entscheidung, die im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens am 13.01.2014 zum Geschäftszeichen 9 O 25477/13 erging, fest, dass Ritter Sport durch die Testergebnis-Veröffentlichung in ihren Rechten verletzt werde. Die Stiftung Warentest könne sich zwar grundsätzlich bei den im Interesse der Allgemeinheit durchgeführten Warentests auf eine weitgehende Meinungsäußerungsfreiheit berufen. Diese Freiheit finde ihre Grenze allerdings in den ebenfalls geschützten Interessen von Ritter Sport, nicht in unbilliger Weise in ihrer Stellung am Markt beeinträchtigt zu werden. Diese Grenze sei nach Auffassung des Gerichts vorliegend überschritten.

Die dem Testergebnis zugrunde liegende Beurteilung beruhe auf eine Auslegung der bereits oben genannten europäischen Aromaverordnung durch die Stiftung Warentest, die unzutreffend und nicht mehr vertretbar sei. Auch im Übrigen stehe die Berichterstattung in der streitgegenständlichen Form außer Verhältnis zu den Aufgaben und Zielen einer sachlichen Verbraucheraufklärung. Das Gericht betont weiter, dass es zwar nicht das Bemühen der Stiftung Warentest um die Wahrung strenger Anforderungen an die Feststellung der „Natürlichkeit“ eines Aromas verkennt. Die Stiftung Warentest komme damit im Grundsatz ihrem von der Meinungsfreiheit gedeckten Auftrag nach. Auch müsse es der Stiftung Warentest selbstverständlich frei stehen, höhere Standards als die geltenden anzumahnen, jedenfalls aber die geltenden Regelungen kritisch zu hinterfragen. Das Gericht beanstandet jedoch, dass die Stiftung Warentest in ihrer Berichterstattung die Gründe für ihre Erwägungen nicht offengelegt habe. Somit könne der Verbraucher auch nicht nachvollziehen, warum die Stiftung Warentest zu ihrer Bewertung gelangt sei. Jedenfalls nehme die Berichterstattung eine Unschärfe in Kauf, die nicht erforderlich sei, um das Ziel der Verbraucheraufklärung zu erreichen.

Zu berücksichtigen bei der Abwägung sei weiterhin, dass unstreitig nie eine Gefährdung der Verbraucher bestanden habe. Vielmehr gehe es hier allein um die Vereinbarkeit der Angabe „natürliches Aroma“ mit der von der Stiftung Warentest – im Ergebnis unzutreffend – vorgenommenen Auslegung der europäischen Aromenverordnung. Die schlicht verbraucherpolitische Forderung könnte eine so wenig transparente Berichterstattung nicht rechtfertigen, zumal der Anschein einer tatsächlichen Feststellung im Sinne von „chemisch hergestellt“ geweckt werde.

Von einem fairen Warentest könne nicht gesprochen werden, wenn diesem in der zentralen Frage der Auslegung der Bestimmung der Aromenverordnung ein nicht vertretbares, zu enges Verständnis zugrunde liege. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Stiftung Warentest – ohne Offenlegung der zugrundeliegenden Wertung – aus einer scheinbaren Tatsache nicht nur abgeleitet habe, dass es sich um kein natürliches Aroma handele, sondern sogar eine angebliche, zur mangelnden Verkehrsfähigkeit der Schokolade führende Irreführung der Verbraucher behauptet habe.

Damit bleibt die zunächst in der mündlichen Verhandlung erörterte Frage, wie das Aroma hergestellt wird, leider offen: Auch die Stiftung Warentest konnte namentlich nicht ausschließen, dass eine „natürliche“ Herstellung möglich ist, wenn man die von Ritter Sport und vom Gericht gewählte Auslegung der Aromenverordnung zugrunde legt.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Stiftung Warentest hat bereits am 13.01.2014 angekündigt, gegen diese Entscheidung Berufung einzulegen, sodass mit Spannung abgewartet werden kann, wie die Sache endgültig entschieden wird.

Rechtsanwalt Frank Gerhard